Am Sonntag, den 26. Mai 2024
um 10:00 Uhr an der Kirche in Großschwabhausen
lädt der Verein für Ortsgeschichte Großschwabhausen e. V. alle interessierten Großschwabhäuser und natürlich alle Heimatfreunde aus nah und fern zur alljährlichen Flurwanderung ein.
Wir verlassen Großschwabhausen über die alte Lindenallee in südlicher Richtung und biegen dann zunächst ab, um durch blühende Felder direkt in unser Nachbardorf Döbritschen zu gelangen.
Eingangstor zum alten Kammergut Döbritschen (Fotoarchiv Familie Gellert von S. Köcher)Der Ort liegt am Fuße der Nordabdachung des Steinhügels, einem Ausläufer der östlichen Muschelkalkhänge des Saaletales um Jena. Unser Vereinsfreund und Geologe Dr. Gunter Braniek wird freundlicherweise mit seinem umfangreichen Wissen auch unsere diesjährige Wanderung bereichern und zu den geologischen Formationen und Besonderheiten rund um Döbritschen vortragen. Fleißigen Mitwanderern ist auch Herr Frank Störzner schon bekannt. Der Thüringer Steinkreuzspezialist nimmt gern wieder an der Wanderung teil und verweist auf steinerne Zeitzeugen am Wegesrand, welche sonst möglicherweise unentdeckt blieben.
Eingangstor zum alten Kammergut Döbritschen (Fotoarchiv Familie Gellert von S. Köcher)
Das Gebiet um Döbritschen wurde erstmals in der Jungsteinzeit besiedelt, dies belegen Funde aus dieser Zeit. In der römischen Kaiserzeit bestand in der heutigen Ortslage eine Siedlung. Die Ersterwähnung von Döbritschen fällt in das Jahr 1279. In einer Urkunde der Grafen vom Kirchberg wird der Name erwähnt und tritt ab 1290 im Familiennamen de Dobreczen auf. Das Dorf ist dann im Besitz der Familie Dobreczen, deren Burg 1450 zerstört wurde, da der Besitzer den Zorn von Friedrich dem Sanftmütigen auf sich gezogen hatte. Die ehemalige Burg Döbritschen war eine mitten im Ort gelegene rechteckige Anlage mit einem Herrensitz, welcher von einem Wall und einem Graben geschützt wurde. Auf dem Schutzwall der Burg wurde 1538 die Kirche von Döbritschen errichtet, sie birgt im Turm 2 Bronzeglocken. Die ältere der beiden ist über 500 Jahre alt und 1518 in Erfurt gegossen.
Frau Sabine Köcher interessiert sich sehr für die Geschichte ihres Heimatortes und lädt uns ein, spannenden Episoden aus Döbritschen zu lauschen und Reste des alten Kammergutes im Ort zu suchen.
Das Kammergut Döbritschen – Blick vom Teich (Fotoarchiv Familie Gellert von S. Köcher)
In südlicher Richtung weiter spazieren wir in Richtung Waldgrenze und erreichen nach kurzem Fußmarsch den bekannten Stern von Vollradisroda. Ein zentraler und magischer Ort, angelegt im 18. Jahrhundert, im ehemaligen großherzoglichen Jagdrevier des Großherzogtums Sachsen- Weimar- Eisenach.
Länger als der moderne Mensch zurückdenken kann, gehört die Jagd zu den ältesten Tätigkeiten der Menschheitsgeschichte. Bis zum frühen Mittelalter war die Jagd frei und für jedermann uneingeschränkt möglich, ab dem Spätmittelalter wurde sie immer weiter eingeschränkt und war dann zunehmend einem vor allem adligen Personenkreis vorbehalten. Mehr und mehr wurde die Jagd zum festen Bestandteil des höfischen Lebens und Repräsentationsmittel für die Landesfürsten. Das Jagdrevier Vollradisroda wurde so zum beliebten und bevorzugten Jagdgebiet des Weimarer Hofes. Über die Ausübung der Jagd in Vollradisroda werden wir bei einer Pause auf dem Stern viele interessante Fakten vom Revierleiter des Revier Jena Herrn Sascha Burkhardt erfahren, welcher in den Vollradisrodaer Wäldern einen Großteil seiner Ausbildung absolvierte. Frisch gestärkt nach unserem traditionellen Mittagspicknick wandern wir weiter in Richtung Tagesziel: das historische Lindenoval am Südrand des Vollradisrodaer Forstes. Sechzehn alte Kopflinden und eine Hainbuche stehen in einer geheimnisvollen Gruppe auf der Südseite am Fuße des Steinhügels (400 m über NN). Vergleichen wir alte Karten, fällt auf, dass die Lindengruppe bereits seit 200 Jahren deutlich von der Umgebung unterschieden wurde. War es ein Festplatz oder ein Rastplatz? Oder gar ein Aussichtspunkt? Denn deutlich sichtbar liegt das Lindenoval auf einer Karte von 1797 noch direkt am südlichen Waldrand an einem Verbindungsweg zum Wegestern. In der Regierungszeit von Großherzog Carl August und unter Mitwirkung des Geheimrates Johann W. v. Goethe wurden ab 1780 Äcker des Großherzogtums wegen Holzmangels aufgeforstet. So rückte das Lindenoval weiter in das Innere des Waldes.
Das Flurstück ist seit Jahrhunderten im Besitz der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland und die Tatsache, dass es einstmals am Waldrand lag, lässt die Vermutung aufkommen, dass es einen engen Bezug zu den in der Umgebung vorkommenden mittelalterlichen Wüstungen gibt. Zwischen Döbritschen, Bucha und Coppanz finden wir mehrere Wüstungsstellen ehemaliger Dörfer: Gauga, Wiegelau, Iritz, Niederbucha beispielsweise. Nur 700 m in südöstlicher Richtung lag das Dorf Uhrda, heute unter Ackerland verborgen. Fiel dieses Dorf im sächsischen Bruderkrieg (1446 – 1451) wüst oder war die um 1400 wütenden Pest Ursache für die Abwanderung der Bewohner? Oder sind die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewohner des Dorfes weggefallen? Darüber wird uns Herr Peter Naasner aus Magdala Auskunft geben können. Über Uhrda, wie auch etwa 50 weitere wüste Dörfer im Umfeld der Ilm- Saale- Platte forscht er seit vielen Jahren und wird uns etwas über die Geheimnisse von Uhrda erzählen.
Eine kleine Sensation erlebte Frau Katjana Hesse im Oktober 2019 im Schatten der Uhrdaer Sommerlinden. Bei Schachtarbeiten zur Eingrabung einer Zaunsäule hat sie plötzlich einige papierdünne Münzen auf ihrem Spaten. Dieser Fund ist heute wissenschaftlich ausgewertet und hat als Uhrdaer Lindenschatz Einzug in die Archäologische Literatur gefunden. Wie fühlt man sich, wenn man einen Schatz gefunden hat? Frau Hesse wird an der Wanderung teilnehmen und das einmalige Erlebnis des Schatzfundes und die Freilegung und Bergung am Fundort mit uns teilen. Wir freuen uns sehr, denn wer möchte das nicht selbst einmal erleben?
Der Münzschatz wurde vollständig geborgen, im CT geröntgt, fachgerecht ausgepackt, restauratorisch behandelt und dokumentiert. Nun konnte die numismatische Auswertung der einzelnen Münzen folgen. Diese übernahm Herr Lars Blumenberg im Auftrag des Thüringer Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege in Weimar. Die Münzen stammen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die Verbergung kann auf 1444 oder 1445 datiert werden. Somit ist schon ein erster Schritt bei der Auswertung getan, weitere Fakten zum Schatz werden wir bei der Wanderung erfahren.
Am Fundort haben wir die Möglichkeit, die alten Linden zu bestaunen. Mittlerweile sind sie fachmännisch verschnitten und gesichert. Ihr Alter wurde bestimmt und auf circa 250 – 280 Jahre datiert.
Verschiedene Schautafeln geben den Besuchern Aufschluss über die Besonderheit dieser Stelle im Wald und die Schatzfundstelle ist heute anschaulich ausgemauert. Auch eine Sitzgruppe lädt zum Verweilen und Genießen am heutigen kulturhistorischen Walddenkmalplatz ein, den sicher auch Goethe und der Weimarer Großherzog einst entdeckten.
Wir steuern nun in die Richtung des kleinen Dörfchens Vollradisroda. Dieses Dorf wurde erstmals 1311 erwähnt in einer Urkunde für das Kloster Kapellendorf. Der Name weist auf eine Rodungssiedlung des germanischen Vollrad hin. Im Mittelalter hatten die Klöster Oberweimar und Kapellendorf hier Grundbesitz. Vollradisroda wurde auch (wie die Döbritscher Burg) 1450 im wettinischen Bruderkrieg zerstört und lag in der Folgezeit über 200 Jahre wüst. Erst um 1700 entstand hier ein Rittergut mit einer Tagelöhnersiedlung und der Ort belebte sich wieder. Später kaufte der Weimarer Herzog dieses Gut als Schatullgut und 1815 wurde es Kammergut. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete es ein Vorwerk des Kammergutes Döbritschen. So kam wieder Leben in den kleinen Ort und wir möchten zum Abschluss in der urigen, gemütlichen Atmosphäre des Waldgasthofes „Zu den vier Linden“ einen schönen Wandertag in Gemeinschaft ausklingen lassen.
Für die Organisation der Wanderung und das traditionelle Mittagspicknick bitten wir zu Beginn der Wanderung um eine kleine Aufwandspauschale. Für die Bratwurst und Getränke am Abend im Waldgasthof Vollradisroda sollten Sie einen kleinen Unkostenbeitrag einplanen. Mehreinnahmen kommen der gemeinnützigen Arbeit des Vereins zugute. Wer nicht so gut zu Fuß ist, kann bei Zwischenzielen zur Gruppe hinzukommen. Sprechen Sie uns einfach an.
Anmeldung! Um besser planen zu können, möchten wir alle Wanderer bitten, sich frühzeitig,
bis spätestens zum 15.Mai 2024 in der Gemeindeverwaltung Großschwabhausen (036454-50217) oder per Mail: ortsgeschichte@grossschwabhausen.de anzumelden und Ihre Kontaktdaten (Name, Anschrift, Telefonnummer/ Mail) zu hinterlassen. Bitte teilen Sie uns auch mit, wenn Sie planen, die Wandergruppe früher zu verlassen, damit wir die Einkäufe für das abschließende Bratwurstessen gut planen können.
Wir, alle Referenten und der Waldgasthof „Zu den vier Linden“ Vollradisroda freuen uns auch in diesem Jahr auf zahlreiche Wanderer und wieder einen wunderschönen, erlebnisreichen Tag bei bestem Wetter!
Jeannette Dennstedt & Diana Brückner-Rentzsch
Verein für Ortsgeschichte Großschwabhausen e. V.
[Alle Fotos: Diana Brückner-Rentzsch 2024 sowie mit freundlicher Unterstützung von Sabine Köcher]