Vor 75 Jahren

Am 11. April 2020 jährt sich zum 75. Mal einer der grauenhaftesten und zugleich traurigsten Tage in der Geschichte des Dorfes Großschwabhausen.
In den frühen Morgenstunden näherte sich wieder ein Güterzug voll beladen mit Häftlingen des KZ Buchenwald, welches die SS  vor dem Eintreffen der näher rückenden Alliierten evakuieren wollte, dem kleinen Bahnhof, als ein Luftkommando der Alliierten genau diesen Zug angriff. Durch den starken Beschuss beschädigt, konnte die Lok nicht weiterfahren und der Zug kam im Bahnhof mit mehreren Tausend Häftlingen zum Stehen. Soldaten der SS-Wachmannschaft trieben die ausgebrochenen Häftlinge brutal wieder zusammen. Dabei wurden 2 von ihnen direkt an der Verladerampe des Bahnhofs erschossen und verscharrt, ihre Überreste wurden erst in den 60er Jahren gefunden.
Erst nach mehreren Stunden voller Angst und Ungewissheit in den engen dunklen Waggons wurden die Gefangenen, streng bewacht von der SS-Wachmannschaft und ihren Hunden durch das Dorf in Richtung Jena getrieben. Zeitzeugen sprechen noch heute von dem unsagbar grausamen Anblick der hungernden ausgemergelten Menschen in ihren gestreiften Anzügen und den klappernden Holzschuhen auf der staubigen Dorfstraße. Kleine Kinder, die zum Fleischer oder zum Bäcker im Dorf unterwegs waren, wurden in die Läden gezogen und beobachteten den schier endlosen Marsch an bedauernswerten Menschen. Ein Anblick, den sie bis heute nicht vergessen haben.

Anwohner, die den Häftlingen in Eimern Wasser bringen wollten, wurden von der SS barsch zurückgedrängt. Als die Häftlinge in ihrem großen Hunger über einen Pferdewagen voller Rüben herfielen, wurden sie brutal mit den Gewehrkolben geschlagen. Auf diesem – einem der letzten – Todesmärsche aus dem KZ Buchenwald ermordete die SS weitere fünf Häftlinge auf den Straßen innerhalb des Ortes. Die zurückgelassenen Leichname wurden von den Anwohnern nachts auf dem Friedhof begraben.

Auf Initiative des Vereins für Ortsgeschichte Großschwabhausen wurde 2015 mit Hilfe von Spendenmitteln aus der Bevölkerung diese Ruhestätte der anonymen Häftlinge würdig umgestaltet und in jedem Jahr wird dieser Ermordeten stellvertretend für alle Opfer des Holocausts gedacht. Eine Erläuterungstafel am „Roten Stein“ – einer Erinnerungsstele, welche 1985 an 35 Standorten entlang der Todesmarschrouten errichtet worden sind, erläutert den Besuchern von Großschwabhausen die Ereignisse dieser Tage.
An der 2015 im Rahmen des Projektes „1000 Buchen“ gepflanzten Blutbuche erinnert eine Gedenktafel an den ehemaligen KZ- Häftling Robert Büchler, der als 15jähriger auf diesen Todesmarsch gehen musste und welcher Zeit seines Lebens die Erinnerung an diese Tage wach hielt, um sie in die nächsten Generationen zu tragen.

Auch wenn wir in diesem Jahr keine Andacht, kein gemeinsames Gebet, kein gemeinsames Gedenken abhalten können, so möchten wir Großschwabhäuser diesen Tag vor 75 Jahren niemals vergessen und zumindest durch diesen kleinen Beitrag erinnern und mahnen. Besuchen Sie die Stele und das Grab in einer ruhigen Minute und lassen Sie uns die Erinnerung an diese Zeit niemals verlieren, damit so etwas nie wieder geschehen wird. 

Diana Brückner-Rentzsch (Verein für Ortsgeschichte Großschwabhausen e. V.)

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